JAW WILL MEHR ALS NUR PROVOZIEREN
Wenn man nicht gerade Primark-Kunde ist, verirrt man sich in Berlin doch eher selten nach Steglitz. Aber da der Rapper JAW der Anfrage zu einem Interview nachgekommen ist, hat es uns dorthin verschlagen. Drei Jahre ist sein letztes Album Täter Opfer Ausgleich jetzt alt und in dieser Zeit ist musikalisch nicht viel passiert, bis auf einen genialen Song mit Maeckes. Es wurde also Zeit, sich mal ein Update einzuholen und zu fragen, wann wir endlich ein neues Album von JAW erwarten können. Das Album wird wahrscheinlich noch bis Ende 2013 oder sogar Anfang 2014 auf sich warten lassen, aber wir haben trotzdem mal nachgefragt, wie das klingen wird.
Noisey: Dein bekanntester Song ist „Deine Fans”. Der Song ist jetzt auch schon wieder drei Jahre alt. Glaubst du, deine Fans haben sich verändert?
JAW: Ich denke mal, dass jeder einen gewissen Reifeprozess durchmacht und ich hoffe für viele, dass sie, wenn sie eher destruktiv waren, sich in eine konstruktive Richtung entwickelt haben. Es wäre alarmierend, wenn sie sich nicht weiterentwickelt hätten.
Seit deinem ersten Release (Seelensturm EP) sind mittlerweile zehn Jahre vergangen. Kannst du uns mal erzählen, was dich am Rap gereizt hat und warum du damit angefangen hast?
Ich habe das Bedürfnis gehabt, ein Sprachrohr zu haben, weil ich mit vielen Dingen unzufrieden war, ob mit Menschen oder mit mir selbst. Ich habe eine Kompensation gesucht und so ist das entstanden. Es ist ein Teil meiner Persönlichkeit, die ich im Alltag nicht ausleben kann. Ich wollte auch Dinge loswerden und diese einer breiteren Masse zugänglich machen, die sonst vielleicht untergehen würden.
Das klingt so, als würdest du mit deinen Raps was verändern wollen?
Das war auch lange Zeit mein Ansporn, wachzurütteln. Aber inzwischen habe ich das mehr oder weniger aufgegeben. Ich glaube einfach nicht, dass sich die allgemeine Meinung durch Musik ändern kann. Auf der anderen Seite, kannst du natürlich die Leute, die dir zuhören, ein Stück weit beeinflussen. Dieser Anspruch ist wahrscheinlich auch heute noch da. Ich möchte Bereiche offenlegen, die nicht so zugänglich sind, und vielen gar nicht bewusst sind. Viele wissen auch nicht, mit welchen Problemen manche Individuen konfrontiert sind, Probleme, die die Masse jetzt nicht unbedingt so kennt.
Wenn du von aufgeben sprichst, ist die Frage, ob sich die Ziele verschoben haben, oder was treibt dich an?
So richtig aufgeben, tue ich es ja nicht. Ich bin jetzt nur nicht mehr so versessen darauf, meine Persönlichkeit an den Tag zu legen und für Aufruhr zu sorgen. Der Wunsch nach Provokation ist einfach zurückgegangen und das Bedürfnis, Emotionen und Gefühlsebenen zu transportieren, ist gestiegen. Bei Täter Opfer Ausgleich (T.O.A.) hatte ich noch eher das Bedürfnis anzuecken und sich durch diese sarkastische Herangehensweise damit auseinanderzusetzen.
Schön, dass du es ansprichst. Ich wollte von dir wissen, wie wichtig Provokation für deine Raps ist?
Inzwischen nicht mehr so wichtig. Es ist einfach zur Mode geworden zu provozieren. Als ich damit angefangen habe, war die Szene noch chillig unterwegs und auf Freundeskreisebene, ohne mich jetzt auf eine Rapcrew beziehen zu wollen. Es ist halt sehr selbstverständlich geworden und dadurch verliert die Provokation als Mittel ihren Reiz und ihre Wirkung. Ich glaube, Provokation wird schon als selbstverständlich aufgefasst und sorgt nicht dafür, dass man etwas sozialkritisch hinterfragt.
Ich bin echt genervt von Mode-Provokation, das hat für mich den Reiz verloren. Ich war wahrscheinlich schon immer so ein Antihaltungs-Trottel, der immer das Gegenteil, von dem was gerade angesagt ist, machen muss.
Das klingt so, als würden die Inhalte persönlicher werden, und das obwohl du immer schon sehr persönlich warst?
Das stimmt, die Inhalte waren unter der Maske des Zynismus und des Sarkasmus persönlich. Jetzt wird es aber noch ein Stück persönlicher und auf dem Album gibt es zwei Umgamgsformen damit. Das eine ist das Melancholisch-Reflektierende und das andere das Misanthropisch-Offensivere.
Du hast auf deinem letzten Album viel Negatives aus deinem Leben verarbeitet. Jetzt bist du seit drei Jahren ohne Output. Ging es dir zu gut, ist zu wenig Scheiße passiert, die du verarbeiten hättest können?
Nein, im Gegenteil! Ich dachte auch, dass ich auf einem ziemlich guten Weg bin, doch dann hat es mich persönlich wieder umgeworfen. Meine Mutter ist ziemlich plötzlich verstorben und viele Freunde haben sich nicht wirklich als Freunde entpuppt. Mir ging es absolut nicht gut und ich musste erst mal wieder aus meinem Loch kommen. Das hat natürlich dafür gesorgt, dass vieles auf der Strecke geblieben ist. Aber es gibt genügend Stoff.
Du hast mir vorhin erzählt, dass dein Bedürfnis, Rap zu hören, stark zurückgegangen ist. Hast du dadurch auch den Anspruch, deine Musik zu verändern und in eine Richtung zu gehen, die dich persönlich mehr interessiert?
Das neue Album wird auf jeden Fall musikalischer werden. Ich habe keine Samples mehr benutzt und habe versucht die Dinge, die ich musikwissenschaftlich gelernt habe, einzubauen.
Gibt es da musikalische Referenzen?
Ein Punkt ist sicher, dass ich die Drums nicht mehr so HipHop-technisch gesetzt habe und dadurch wird es meiner Meinung nach etwas elektronischer. Man könnte Radiohead als Einfluss anführen.
Das heißt, es bleibt alles beim Alten, du produziert dein Album selbst?
Es gibt natürlich verschiedene Leute, mit denen ich zusammenarbeite, aber ich gebe den Leitfaden an. Ich denke, das ist auch gut so. So treffe ich am ehesten den Kern, den ich treffen möchte.
Gibt es dein Label Weisse Scheisse noch und wirst du in Zukunft wieder darüber deine Alben veröffentlichen?
Weisse Scheisse gibt es noch, aber da wird es noch strukturelle Veränderungen geben und es wird vermutlich auch eine Veränderung in Bezug auf den Namen geben. Aber da kann ich noch nichts Genaueres zu sagen.
Kann man dich denn in nächster Zeit auch mal wieder auf Alben von anderen Leuten erwarten?
Es wird einen neuen Track von mir geben, mit dem Titel „Rap hat dich kaputt gemacht”. Ich habe mit einem meiner großen Jugendidole eine Song gemacht, aber ich will noch nicht verraten, mit wem.
Du bittest am Samstag in Berlin zum Vorgespräch, wird es dort schon neue Sachen von dir zu hören geben?
Es wird auf jeden Fall zwei, drei neue Songs geben. Ich habe das Konzept zum letzten Auftritt vor einem Jahr auch etwas umgeworfen. Es wird ein paar ältere Songs geben, die ich sonst nicht so spiele.