aus einem anderen forum xtrem interessant
"Original von The usual Suspect
Das Album "Get rich or die trying" von 50 Cent ist nur knapp der Aufnahme in die "Liste der jugendgefährdenden Medien" entgangen. Die dafür zuständige Stelle, die "Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien", kurz BPJM, beschäftigt sich auf Zuruf von anderen Behörden und Jugendarbeits-Organisationen mit Medien wie Büchern, Computerspielen, Videos und Tonträgern. Die Behörde gibt monatlich eine aktualisierte Liste von Titeln heraus, die mit sofortiger Wirkung in Deutschland nicht mehr an Jugendliche unter 18 Jahren verkauft werden dürfen.
Diese Liste, also "der Index", wird nicht einfach veröffentlicht, damit sichergestellt ist, dass sie Jugendlichen nicht zugänglich ist.
Allerdings kann man sich als Erwachsener bei der Bundesprüfstelle registrieren und bekommt dann den Index regelmäßig zugeschickt. Sehr wichtig ist der Index für Händler und Vertriebe, die die Anweisungen in die Tat umsetzen müssen, weil sie sich sonst strafbar machen. Die Entscheidungen für oder gegen ein Medium fällt ein 12 köpfiges Gremium, und das sehr gründlich. Denn wer denkt, dass in Horrorfilmen nur das Blut in Litern gezählt wird oder bestimmte Stichwörter in "arischer" Musik nach Strichlistenart zur Indizierung führen, der täuscht sich - es gibt zum Teil sehr umfangreiche Verfahren zu Fällen, denn es gilt zu betrachten, inwieweit ein Inhalt...
Zitat:
"geeignet sei die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden".
Es geht nicht nur darum, in welchem Umfang z.B: Gewalt angewendet wird, sondern und vor allem, wie die inhaltliche Einbettung und die Bedeutung im Umfeld zu sehen ist.
Und deswegen ist die sechsseitige Abhandlung der BPJM zum Indizierungsverfahren von dem 50 Cent Album so spannend: Die staatliche Stelle versucht nicht nur 50 Cents Texte zu übersetzen und zu verstehen, sondern auch sein Umfeld und seine Art der Ausdrucksweise...
kurzgesagt: ein Amt in Deutschland versucht Ami-Rap zu verstehen.
Das führt zu einigen Klassikern ala "(es ist) das Wort "Mother****er" nicht wörtlich zu übersetzen", aber auch zu einigen neuen Wahrheiten über das Game: es ähnelt erschreckend dem Wrestling (s.u.).
Na gut, einige Wahrheit sind unübersehrbar, und auch von der BPJM messerscharf beobachtet:
Zitat:
"In den Texten (von 50 Cent)... geht es beinahe ausschließlich um Waffengewalt, das präsentierte Frauenbild ist negativ und der Umgang mit Drogen wird zum Teil verharmlosend dargestellt."
Aber warum trotzdem nicht auf dem Index?
So geht's weiter:
Das Papier beginnt mit den Argumenten, die die besorgte Jugendbehörde angeführt hat, die das Album als verbannungswürdig eingereicht hat:
Zitat:
"Auf dem Cover der CD ist der Interpret hinter einer Glasscheibe, die einen Durchschuss enthält, abgebildet. Im Booklet befinden sich verschiedene Abbildungen des Sängers, teilweise in den nächtlichen Straßen der Ghettos. Auf mehreren Bildern ist der Interpret mit einer Waffen abgebildet, wobei auf einem Photo der Lauf der Pistole direkt auf den Betrachter gerichtet ist."
So klingt das halt, "50 is packing massive heat" auf Pädagogendeutsch. OK, da steht so betrachtet wirklich ein Typ mit einer Waffe... aber handelt es sich dabei wirklich um "eine grobe Art der Darstellung von Gewalt, die in einer aufstachelden Weise Jugendliche dazu bewegen wolle, ihre Konflikte mit Waffen und Gewalt zu lösen", wie der Antragsteller der Indiziernug vermutet?
Mehr noch, Fitty schwingt nicht nur seine "gunz in the air", er macht auch keinen Hehl daraus, wie man bei ihm zuhause lebt und Kohle macht: Drogen.
Zitat:
"Weiterhin werde der Konsum von Betäubungsmitteln als Normalität angesehen, es würden sogar Ratschläge für verschiedenste Drogentypen gegeben. Jugendliche könnten somit in ihrer kritische Einstellung zum Drogenkonsum (...) desensibilisert werden, da der Erfolg des Künstlers mit diesem Image zusammenhänge"
In dem (wie gesagt 6-seitigem Papier) folgt nun eine sehr umfangreich begründete Ablehnung des Indizierungsersuches, durch die Betrachten von 4 Blickwinkeln:
1.) "der tatsächliche Hintergrund der Rap-Szene"
2.) "die Vita (der Lebenslauf) des Interpreten"
3.) "die Einbettung der Liedtexte in die Musik"
4.) "die Arbeit mit der Bildsprache sowie der Sprache als solche".
Die Urteilsbegründung
Wer denkt, dass das langweilig und nichtsagend ist, der lese bitte diese glänzende Passage; sie wurde zwar von dem Musikverlag eingereicht, der für 50 Cent argumentierte, wird aber anscheinend gerne von dem Gremium zitiert:
Zitat:
"In der Szene in den USA würden beispielsweise HipHop-Contests durchgeführt, bei denen zunächst der Eindruck entstünde, die Kontrahenten würden ernsthaft streiten, bis hin zum Ausbruch körperlicher Gewalt. Tatsächlich werde dabei jedoch eine Streitkultur gepflegt, die auf dem Straßenslang und einem wirklichen bzw. kreierten Subkulturhabitus basiere ("To diss someone"). Dabei werde auch mit der vermeintlichen Gefährlichkeit der einzelnen Kontrahenten gespielt. Alle Teilnehmer wie auch Zuschauer seien sich jedoch darüber im Klaren, dass es sich um ein Spiel handele. Eine kulturelle Parallele (im körperlichen Bereich) sei beim "Wrestling" zu finden. Dort würden Kämpfe ausgeführt, die den Teilnehmern starke Verletzungen zufügen würden, wenn sie real wären. Dem Publikum sei jedoch klar, dass es sich um ein bloßes Schauspiel handele. Eventuell lebe das Publikum der vorgenannten Schauspiele die Gewalt auch in seiner Phantasie aus/ mit. Diese Phantasien würden jedoch gerade deshalb nicht auf die Realität adaptiert. Auf dieser Kultur baue der verfahrensgegenständliche Tonträger auf."
Aber es werden auch seitenweise Ziate aus dem "Werk der Künstlers" analysiert. z.B.: Lied 02 "What up Gangsta":
Zitat:
I'll hunt or duck a nigga down like it's sport... Cross my path I'll crush ya... I'll have your ass using a wheelchair, cane, or crutches
Da sich das Gremium des BPJM tagein tagaus auch mit rechtsradikalem und rassistischer Medienmüll befassen muss, stockt den Herren und Damen natürlich der Atmen bei der Übersetzung:
Zitat:
Ich werde einen Nigger jagen oder niederschlagen, als wäre es ein Sport... Kommst Du mir in die Quere, werde ich Dich zerquetschen... Ich sorg dafür, dass Du 'nen Rollstuhl, 'nen Stock oder Krücken brauchst.
Aber das Gremium war wohl beraten:
Zitat:
"Slangbegriffe (können) nicht wörtlich übersetzt werden. So sei beispielsweise das häufig vorkommende Wort "Nigga" nicht als Schimpfwort zu verstehen, da dies in diesem Kontext nur von Farbigen untereinander verwendet würde und in diesem Zusammenhang keine Herabwürdigung beinhalte... Auch der Ausdruck "I **** you", sei im Sinne von "Ich mache dich fertig" gemeint. (...)Jugendliche, die diesen Slang teilweise verstehen, (sind) durchaus in der Lage (...), die verzerrte und stark übertriebene Darstellung zu erkennen und nicht im tatsächlichen Wortsinne zu verstehen."
Was Fitty im Endeffekt also gerettet hat, sind sein Streetslang und sein Nuscheln!
Zitat:
(es ist die)"Einschätzung des Zwölfer-Gremiums (der BPJM), dass die Texte und die Musik der CD die Grenze zur Jugendgefährdung aufgrund der zum ganz überwiegenden Teil unverständlichen Sprache nicht überschreiten"
Und "50 is keeping it real" klingt übrigends so:
Zitat:
"Der Interpret "50 Cent" definiert seine eigene Zielsetzung als Aufklärung über das Aufwachsen und Leben im Ghetto und die damit zusammenhängenden Umstände. Hierzu gehören die sich in den Liedtexten und in der Musik wiederspiegelden Themen von Gewalt, Sex und Drogen. Der Künstler hat sich im vorliegendem Fall einer Formsprache bedient, die eine bestmögliche Umsetzung des von ihm Erlebten gewährleisten soll. Insofern wird in den Liedtexten ein Bild gezeichnet, welchen im Hinblick auf die Vita des Interpreten der Realität entspricht und das durch die Wahl der Sprache an Authentizität gewinnt. Insofern erschließt sich das Gesamtkunstwerk als Verarbeitung der dem Interpreten widerfahrenden Lebensumstände, weshalb von einer künstlerischen Einbettung ausgegangen werden kann."
Was soll man da noch hinzufügen? Rap ist Wrestling und Fittys Debutalbum ein Gesamtkunstwerk. Yeah!
Manchmal klingt die Wahrheit halt blöd.
...ach ja - und für alle, die dachten Rap sei eine Kiddie-Angelegenheit: "Das Durchschnittsalter der Käufer (beträgt)... nach einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) 22,6 Jahre."
alle Zitate sind entnommen dem "BPJM Aktuell, Amtliches Mitteilungsblatt der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien" Ausgabe 02/2004, Forum Verlag
Wir danken der BPJM für die Unterstützung. Mehr Infos zum Thema:
http://www.bundespruefstelle.de/"