Nico Rosberg (M.) freut sich über die erste Mercedes-Pole seit Monza 1955
Schanghai - Für Weltmeister Sebastian Vettel war das Debakel "schon doof", für Nico Rosberg die historische Doppel-Pole der Silberpfeile beim China-GP (So., ab 8.45 Uhr) "der absolute Hammer".
Und Michael Schumacher empfand nach dem besten Tag seit seinem Comeback Stolz für sein "Baby".
Im aus deutscher Sicht denkwürdigsten Qualifying seit vielen Jahren stand der Dominator der letzten beiden Jahre als der große Verlierer da, die in den vergangenen zwei Jahren oft gebeutelten Mercedes-Piloten Rosberg und Schumacher schrieben dagegen Geschichte und strahlten um die Wette.
Geschockter Vettel
Die zuvor letzte Pole-Position für die Silberpfeile hatte es vor mehr als 55 Jahren und genau 20.671 Tagen gegeben, damals hatten Juan Manuel Fangio, Stirling Moss und Karl Kling sogar für einen silbernen Dreifach-Sieg im Qualifying gesorgt.
Vettel wirkte geschockt und ratlos, ein Fragezeichen auf zwei Beinen.
Sein schlechtestes Qualifying seit zweieinhalb Jahren und Startplatz elf beim Großen Preis von China am Sonntag konnte er sich nicht einmal im Ansatz erklären.
"Das ist schon doof"
Als ihn die schockierende Nachricht des Ausscheidens in Q2 über den Boxenfunk erreichte, war er wie gelähmt und brachte kein Wort heraus. "Eigentlich war ich ganz zufrieden mit dem Auto und der Runde. Es war nix grob verkehrt", sagte der Champion kurz danach achselzuckend: "Die letzten Zehntel kamen nicht. Das ist schon doof. "
Der ohnehin nur auf Rang sechs in der WM-Wertung liegende Red-Bull-Pilot, der zuletzt am 17. Oktober 2009 als 16. in Brasilien weiter hinten startete, hat aber noch Hoffnung, einen neuerlichen Rückschlag verhindern zu können. "Im Rennen ist noch viel drin", sagte er: "Ich habe noch einen neuen Satz Reifen, das ist das einzig Gute."
Achter deutscher Pole-Setter
Nur Gutes gab es dagegen von Mercedes zu berichten.
Sportchef Norbert Haug hätte am liebsten die ganze Welt umarmt, Rosberg reckte erst den Daumen und dann die Faust in die Luft, Schumacher wirkte so zufrieden wie wohl noch nie in den zweieinhalb Jahren seiner zweiten Karriere.
"Das ist natürlich der absolute Hammer. Alles hat perfekt gepasst. Das ist echt cool und ein tolles Gefühl", sagte Rosberg, der als achter Deutscher eine Pole-Position eroberte und darauf bis zum 111. Rennen warten musste - länger brauchten nur drei andere der nun 83 Pole-Starter in der Geschichte der Formel 1.
Halbe Sekunde Vorsprung
Am Samstag brannte der 26-Jährige nicht nur wegen des genialen F-Schachts an seinem Auto eine Runde in den Asphalt, die alle Verfolger staunen ließ.
"Das war fantastisch von Nico, unglaublich. Der Abstand auf die anderen ist riesig", sagte McLaren-Pilot Lewis Hamilton, der mit einer halben Sekunde Rückstand die zweitbeste Zeit fuhr, wegen eines Getriebewechsels am Donnerstag aber fünf Ränge nach hinten rutschte und dadurch die silberne Doppel-Pole ermöglichte.
Zwei Deutsche in der ersten Reihe hatte es zuletzt am 7. November 2010 in Brasilien gegeben, als Nico Hülkenberg nach seiner Sensations-Pole vor Vettel gestartet war.
"Man glaubt es kaum", sagte Haug und schüttelte den Kopf: "Alle liegen so eng beieinander, und dann zaubert Nico so eine Runde raus.
Das spricht sehr stark für ihn."
Schumi zieht den Hut
Auch Schumacher zog symbolisch den Hut vor dem Teamkollegen: "Das war phänomenal von Nico!" Schumacher freute sich für das gesamte Team, das in den vergangenen zweieinhalb Jahren hart gearbeitet habe. "Es ist ja irgendwie auch dein Baby", sagte er zufrieden: "Mercedes hat leider länger warten müssen. Nun haben wir es endlich hinbekommen."
Ob Rosberg der siebte deutsche Grand-Prix-Sieger werden oder Schumacher seinen ersten Erfolg seit Oktober 2006 feiern wird, damals ebenfalls in Schanghai, ist allerdings offen.
TV-Experte Marc Surer ist sich sicher, "dass sie durchgereicht werden", für Vettel sind "die, die ganz vorne stehen immer die Favoriten".
Rosberg hofft
Für Rosberg ist es "schwer zu sagen, wo wir landen werden". Er hofft auf fallende Temperaturen: "Das könnte uns entgegenkommen. Ich werde es auf jeden Fall versuchen."
Nico Hülkenberg (Force-India-Mercedes) geht derweil als 16. ins Rennen, Marussia-Pilot Timo Glock als 21. Australien-Sieger Jenson Button startet im McLaren als Fünfter, Vettels Teamkollege Mark Webber als Sechster, WM-Spitzenreiter Fernando Alonso im Ferrari als Neunter.