Vergleiche zwischen 1972 und der Gegenwart hinken komplett. Jedes U17-Bundesligaspiel hat heute deutlich mehr Tempo. Das ist keine Kritik an unserer tollen Mannschaft damals, sondern einfach der Lauf der Zeit. Löw ist jetzt seit 2004 beim DFB... Wenn ich mir die Entwicklung in diesen knapp 10 Jahren anschaue, dann ist das mal gelinde gesagt der unglaublichste Sprung nach vorn, den der deutsche Fußball je erlebt hat. Wir können uns vor Talenten kaum retten, haben unglaublich viele Optionen und sind auf einem spielerischen und taktischen Niveau wie noch nie. Das ist natürlich nicht allein Löws Verdienst, aber er ist schon ein sehr, sehr wichtiger Baustein. Auf Nationalmannschaftsebene Erfolg allein an Titeln zu messen, ist totaler Mumpitz. Wie viele Länder haben denn auf dieser Welt überhaupt die Chance, was zu gewinnen? Und dann noch bei dieser unglaublichen Dominanz, die der spanische Fußball jetzt seit vielen Jahren an den Tag legt. Das deutsche Team geht mit einer Selbstverständlichkeit durch Qualifikationen und Vorrunden, die vielen deutschen Fans (Fachwissen?) zu Kopf steigt. Wird alles als selbstverständlich hingenommen. Und mal deutlich gesagt: In Südamerika hat noch nie ein europäisches Team den WM-Titel holen können. Sich diesen als Deutscher zu wünschen, ist okay und durchaus auch im Bereich des Möglichen. Ihn aber als Maßstab für die Qualität des Bundestrainers anzulegen, ist totaler Mumpitz. Aber das hatten wir ja schon.
Zu Kießling: Da er keine Stammplatzperspektive hat, liegt es in der Betrachtung des Trainers, ob er dem Team im Mannschaftsgefüge helfen kann. Wer von uns kann das beurteilen, ohne die internen Abläufe in der Vergangenheit zu kennen? Die Bundesliga-Leistungen von Kießling sind unbestritten großartig. Aber das reicht auf höchstem internationalen Niveau noch lange nicht, um im Ein-Stürmer-System gesetzt zu sein. Die Leader-Qualitäten eines Klose oder Kahn (Beispiel 2006) sehe ich bei ihm überhaupt nicht. Aber wie gesagt, dass kann sowieso nur der interne Kreis der Verantwortlichen bewerten.
Zu Weidenfeller: Hier bin ich der Meinung, dass er auch als dritter Torwart eine sehr hohe Stellung im Team einnehmen könnte. Erfahrene Keeper sind immer extrem akzeptierte Charaktere. Ich würde es ihm sehr gönnen, wenn er mit nach Brasilien dürfte. Aber ganz klar: Ein Torwartproblem haben wir definitiv nicht in Deutschland. Fast jede Nr. 1 in der Bundesliga wäre in anderen Nationen Stammtorwart.
Ansonsten gilt wie immer beim Fußball, spätestens zu EM-/WM-Zeiten haben wir 80 Millionen Fußballexperten in Deutschland. Ich freue mich drauf, auch wenn es Nerven kostet.