Hamburg - Ohne ihn wäre die Geschichte der Rockmusik um einige ihrer bewegendsten Momente ärmer und eine der berühmtesten Gruppen dieses Planeten hätte es wohl nie zu so großem Ruhm gebracht. Sein Spiel auf der Hammond-Orgel machte den Sound seiner Band unverwechselbar, er gehörte zu ihrem klassischen Line-Up, sein Ruf war legendär. Jetzt ist der Organist Jon Lord, über lange Jahre der Tastenvirtuose bei der englischen Hardrock-Band Deep Purple, im Alter von 71 Jahren gestorben.
Lord sei in einem Londoner Krankenhaus im Kreis seiner Familie dahingeschieden, wird auf seiner persönlichen Website vermeldet. Dort heißt es auch in einem kurzen Nachruf: "Jon geht aus der Dunkelheit ins Licht". Die Liste der Lieder, mit denen Lord in die Annalen der Musikhistorie eingegangen ist, ist lang - und sie umfasst Kompositionen, für die ein Begriff wie moderner Klassiker erfunden zu sein scheint.
Dazu zählt das verträumte "Child In Time", ein mehr als zehnminütiges Werk, das mit einem simpel gehaltenen, aber dafür umso unvergesslicheren Intro von Lord beginnt und sich dann zu einer Art balladesken Mini-Oper steigert. Das Stück, 1969 zunächst mit dem Royal Philharmonic Orchestra aufgeführt, wurde schließlich 1970 auf dem dritten Album "Deep Purple In Rock" in einer Studioversion veröffentlicht. Zu weiteren Welthits, an denen Lord maßgeblich beteiligt war, gehören "Highway Star", "Smoke On The Water", das einem breiten Publikum vermutlich geläufigste Stück, und der zwölfminütige Klassiker "April", in dem ein virtuoses Solo von Jon Lord zu hören ist.
Mit fünf Jahren Klavierspielen gelernt
Viele Alben der Band bis zu ihrer ersten Trennung im Jahr 1976 gehören in den Kanon des modernen Rock, sie definieren das Genre des Hardrock bis heute und bildeten ein wesentliches Fundament für den Stil, der vor allem mit Beginn der Achtziger als Heavy Metal weltweit seinen Siegeszug beginnen sollte.
Auf das genannte "In Rock", das mit "Speed King" auch einen prototypischen Speed-Metal-Song enthielt, ein Genre, das erst mehr als eine Dekade später erfunden werden sollte, folgte "Fireball", das mit dem Titelstück oder dem psychedelischen Experiment "The Mule" überzeugte, "Machine Head" von 1972 versammelte Hits wie "Highway Star" "Space Truckin" und natürlich "Smoke On The Water", für das sich die Band von einem Casino-Brand in Montreux am Genfer See in der Schweiz inspirieren ließ, während sie sich dort zu Studioaufnahmen aufhielt.
"Who Do We Think We Are" von 1973 gilt als etwas schwächeres Werk, auf das mit "Burn" im Folgejahr ein umso gelungeneres Album folgte; insbesondere beim Titelsong stellte Lord sein großes Können unter Beweis. Mit den beiden eher durchwachsenen Alben "Stormbringer" (1974) und "Come Taste the Band" (1975) endete die sicherlich kreativste Phase der Band.
Lord stammte aus der mittelenglischen Industriestadt Leicester, wo er am 9. Juni 1941 auf die Welt kam. Nur wenige Jahre später ließ er bereits seine Hände über die Tasten gleiten. Bereits im Alter von fünf Jahren erlernte er das klassische Klavierspiel. 1959 zog er nach London, wo er zunächst Schauspiel studierte und parallel dazu als Pianist in den Jazzclubs der Stadt auftrat. Zu Deep Purple - die bis 1968 noch unter dem Namen Roundabout firmierten - stieß Lord gegen Ende des Jahres 1967; auf Initiative des Drummers Chris Curtis, der aber bereits kurz nach der Gründung der Band wieder ausstieg. Bis 1976 bildete Lord zusammen mit dem ebenso genialischen Gitarristen Ritchie Blackmore den kreativen Kern der Band - und war entscheidend mitverantwortlich für den Erfolg Millionen verkaufter Platten. Nach einigen anderen Engagements, etwa bei der Blues-Hardrock-Formation Whitesnake, bei der er auf den Ex-Deep-Purple-Sänger David Coverdale traf, machte Tasten-Meister Lord dann 1984 bei einer Reunion (mit leicht veränderter Besetzung) mit. Im Frühjahr 2002 stieg er schließlich endgültig aus, vor allem die Live-Aktivitäten des Rock-Unternehmens Deep Purple machten dem damals schon über 60-Jährigen zu schaffen.
Danach konnte Lord noch Erfolge als Solo-Künstler feiern, etwa bei einem kleinen Projekt mit der ehemaligen Abba-Sängerin Anni-Frid Lyngstad, die ein eigens von Lord für sie komponiertes Stück namens "The Sun Will Shine Again" einsang. Bis zuletzt war er auch auf der Bühne zu sehen. Erst vor wenigen Wochen hatte er einen geplanten Auftritt in Deutschland abgesagt. Damals hieß es noch auf seiner Website, dass es "keinen Anlass zur Sorge" gebe. An diesem Montag sind die Nachrichten weit trauriger.