Zwei Forscher der Stanford-Universität fanden heraus, dass das Verhalten der Ernteameisen bei ihrer Suche nach Futter das TCP-IP-Prinzip widerspiegelt. Dies wurde erforscht von der Professorin für Biologie Deborah Gordon und dem Informatikprofessor Balaji Prabhakar.
Auch wenn Ameisen und das Internet auf den ersten Blick nicht allzu viel miteinander zu tun zu haben scheinen, entdeckten die Professoren doch eine Gemeinsamkeit: die Art und Weise, wie die oben genannte Ameisenspezies (lat. Pogonomyrmex badius) bestimmen, wie viele Arbeiterinnen zum Einsammeln einer Futterquelle geschickt werden müssen, erinnert stark an die Methode, mit der Internetprotokolle herausfinden, wie viel Bandbreite zum Datentransfer zur Verfügung steht. Dieses Phänomen nannten die Entdecker »Anternet«.
Nach genauerer Forschung kam Balaji Prabhakar zu dem Ergebnis, dass sowohl die Ameisen als auch das »Transmission Control Protocol« (kurz TCP) mit demselben Algorithmus arbeiten.
Der »TCP-Algorithmus« arbeitet mit folgendem Prinzip: Wenn eine Quelle A eine Datei an ein Ziel B schickt, wird diese Datei in eine gewisse Anzahl einzelner Datenpakete zerlegt. Nach dem Erhalten jedes einzelnen Pakets sendet B eine Antwort an A, sozusagen als Absicherung, dass auch alle Pakete erhalten wurden.
Diese doppelte Absicherung erlaubt es TCP, Datenstaus zu verhindern. Sollten nämlich Empfangsbestätigungen langsamer eintreffen, als die Dateien ausgesendet werden, heißt das, dass weniger Bandbreite verfügbar ist. Ist dies der Fall, schraubt die Quelle automatisch die Übertragungsrate zurück. Sobald die Rückmeldungen wieder schnell eingehen, erhöht sich ebenfalls die Geschwindigkeit, mit der die Daten übertragen werden.
Ernteameisen verhalten sich auf fast gleiche Weise, wenn sie auf Nahrungssuche sind: laut Gordons Forschungen entspricht die Rate, in der einzelne Ameisen den Bau verlassen, um nach Futter zu suchen derjenigen, in der Nahrung vorhanden ist. Solange die Arbeiterinnen kein Futter gefunden haben, kommen sie nicht zum Nest zurück. Ist viel Nahrung vorhanden, kehren die Ameisen also schneller zum Bau zurück. Nimmt die Rate, mit der fündig gewordene Ernteameisen zurück kehren, ab, wird auch die Suche verlangsamt oder ganz ausgesetzt.
Auf dieser Grundlage schrieb Prabhakar einen Ameisen-Algorithmus, der das Verhalten der Ameisen im Bezug zum Nahrungsangebot vorhersagen sollte. Dies sollte anhand eines Experiments getestet werden. Daraus ergab sich, dass der Algorithmus nahezu perfekt das Verhalten der Ameisen beschrieb.
Außerdem fand man heraus, dass Ernteameisen noch zwei weitere Phasen des TCP anwenden. Eine davon ist als »slow start« bekannt und beschreibt, dass die Quelle am Anfang der Übertragung eine relativ große Welle an Datenpaketen versendet. Somit kann schon zu Beginn der Übertragung die Bandbreite der Quelle in etwa abgeschätzt werden. Analog dazu schicken auch Ernteameisen zu Beginn der Futtersuche eine große Menge an Helfern aus, bevor anhand der Schnelligkeit der zurückkommenden Tiere auf das Nahrungsangebot eingegangen wird.
Die zweite Phase, genannt »Time-out« tritt in Kraft, wenn der Datenübertragungsweg gestört oder abgebrochen wird und die Quelle daraufhin aufhört, Daten zu verschicken. Hindert man Ameisen daran, zu ihrem Bau zurückzukehren, wie in einem Experiment ermittelt wurde, so werden nach einer gewissen Dauer auch keine weiteren Ameisen mehr auf Nahrungssuche geschickt.
"Wäre diese Entdeckung bereits in den 1970er Jahren gemacht worden, hätten die Ameisen wahrscheinlich beträchlichen Einfluss auf die Entwicklung des Internets gehabt,"
ist sich Professor Prabhakar sicher.