daumenschmerzen
Bekanntes Gesicht
Wir haben den 06.07.2011, so ungefähr 16 Uhr. Das Wetter ist angenehm und ich sitze gemütlich zuhause und krächze über das Mikrofon einige Songs aus Guitar Hero: Warriors of Rock nach. Macht Spaß. Solange mich niemand hört und ich in Erklärungsnot gelange, warum sich mein Gesang anhört wie eine brennende Hyäne. Dazu gibt es immer wieder mal eine Zigarette.
Seit gut eineinhalb Jahren habe ich dieses "juckende" Kratzen im Hals und der Husten wird auch immer schlimmer. Teilweise hat es schon gequietscht. Doch mit dem Rauchen aufhören? Scheiß drauf.
Nun aber geht es richtig ab. Noch kommt das Grunzen und Ächzen vom fruchtlosen Versuch, Paranoid von Black Sabbath nachzusingen, ohne vom virtuellen Publikum ausgebuht zu werden. Plötzlich eine Hustattacke, wie ich sie so nur einmal erlebt habe. Ich verkrampfe mich so sehr, dass ich mich fast übergebe. Als ich irgendwann erlöst werde und nach Luft ringe, habe ich die Schnauze endgültig voll. Eineinhalb Jahre ständig dieses Husten und jetzt dieser übertriebene Hustenanfall? Ich schmeiße den Tabak, die Blättchen und sogar die Feuerzeuge weg und schwöre mir zum zehntausendsten Mal, ein für allemal die Flossen von dem Scheiß zu lassen.
Das Spiel wird ausgemacht und das Internet angesteuert. Irgendwelche Seiten, die eventuell gute Tipps und Tricks geben, dem blauen Dunst zu entsagen und zusätzlich noch etwas motivieren, dabei zu bleiben (wie zum Beispiel Diagramme und Bilder, wie der Körper sich nach einer gewissen Zeit ohne Rauch erholt) muss es doch geben. Und siehe da, ich finde ein paar Adressen. Ich lese sie mir durch und bin überzeugt wie nie.
Doch die darauffolgenden Tage sollten schwierig werden.
Der 07.07.2011 ist der erste komplett rauchfreie Tag. Nach dem Aufwachen schießt mir ein Gedanke durch den Kopf - Zigarette. Wo ist denn der Beutel mit dem Tabak hin? Ach ja... Ich weiß echt nicht, wie oft ich die erste Zeit immer ins Leere gegriffen hab, weil ich mir eine kurbeln wollte.
Schnell geht es mit den Entzugssymptomen los. Am heftigsten war die innere Unruhe/Nervosität. Als ob ich gleich vor einem Millionenpublikum eine Rede halten und dabei mit Kettensägen jonglieren müsste, die in Flammen stehen und mit Piranhas bestückt worden, auf denen beleidigende Mohammed-Karikaturen drauf gemalt sind. Während eine Kamera ständig auf meinen entblößten Penis hält. Aber ich schweife ab.
Die erste Woche war am schlimmsten. Der Gedanke nach einer verschissenen Kippe wurde immer aufdringlicher. Aggressiv war ich jedoch nie. Eigentlich war es nur diese Unruhe. Dafür war sie umso nagender. Ich habe den alten, leicht klischeelastigen Trick genutzt, Kaugummi zu kauen. Das war auch gar nicht so übel. Leider habe ich zuviel davon gefressen, sodass ich desöfteren die Scheißerei bekommen hab. Meine Freunde meinten schon, dass ich mehr Geld für Kaugummis ausgebe, als früher für Tabak. Aber es hat geholfen und das zählt. Ich glaube, ich habe 5 Wochen lang das Zeug gekaut, bis ich ohne auskam.
Dann musste ja bald die Feuertaufe kommen. Kaffee, Bier, nach dem Essen, während des Zockens, nach dem Wichsen, bei Stress... Kein Problem, ich brauch die Sargnägel nicht. Nun stand aber eine große Party an. Einige PZV-Veteranen dürften noch den <GW>-Clan von Skorpion kennen. Die haben ein Treffen organisiert, zu dem ich herzlich eingeladen war. Kostenloses Saufen, kostenloses Fressen? Alles klar... Es waren um die 17 Leute da. Viel Gesellschaft, in der viel geraucht wurde. Und wer ein Nikotinese war oder ist, der weiß, wieviel in Gesellschaft gepafft wird. Wenn ich das schaffe, dann schaffe ich auch alle anderen Situationen.
Und ich hab es geschafft.
Ungefähr zwei Monate nach der letzen Zigarette hab ich schon mal ein kleines Fazit gezogen. Ich war überrascht, dass ich es bis dahin so verhältnismäßig locker geschafft hab. Klar, die ersten zwei, drei Wochen waren echt pilzig. Aber an und für sich... Okay, es darf nicht unerwähnt bleiben, dass ich noch nicht allzu lang geraucht habe. Etwas mehr als 10 Jahre. Im Schnitt 15 Zigaretten pro Tag. Das ist im Gegensatz zu manch anderen Leidensgenossen wenig. Ich war mit meiner Leistung jedenfalls mehr als zufrieden und überaus zuversichtlich, es endgültig zu schaffen. Oft gab es natürlich auch Krisensituationen. Ob es Probleme mit meinen Mitmenschen war oder Probleme mit Ämtern, Momente der Trauer, ein geiles Essen, eine geschaffte Stelle in einem schweren Spiel, scheißegal. Einmal hab ich im Aldi an der Kasse nach einem Beutel greifen wollen. Aber nein. Nach drei Monaten dachte ich mir: "Wenn du all das jetzt wegschmeißt, nur weil du kurz Bock auf den Dreck hast, dann bist du der dümmste Mensch der Welt." Diese Tatsache wende ich auch heute noch an und fahre damit wirklich gut, wenn es mal brenzlig wird.
Denn logischerweise werde ich das Verlangen nie ganz loswerden. Es ist wie bei den Alkis. Einmal süchtig, hast du dein ganzes Leben was davon. Am meisten bekomme ich Lust drauf, wenn ich bei Freunden bin. Da haben wir wieder das leidige Thema der Gesellschaft. ^^ Am meisten fehlt mir: "Ach, eine rauch ich noch, dann geh ich los"
Wer jetzt aber denkt, dass ich ein militantes Nichtraucherarschloch geworden bin, der irrt. Selbstverständlich ekelt mich der Qualm anderer Leute dezent an (brennt voll in der Nase ^^), aber ich würde nie soweit gehen zu sagen, dass das Nichtraucherschutzgesetz in Ordnung wäre und die Raucher unverschämte Bastarde wären, die die Luft verpesten. Wir atmen auch so schon genug Rotze ein, das macht den Kohl auch nicht mehr fett. Und ich habe noch nie einen Raucher getroffen, der mit Absicht jemanden ins Gesicht pustet.
Noch.
Nie.
Also, liebe Meckerzausel dieser Welt. Stellt euch mal nicht so an. Ihr seid ja nun auch nicht permanent davon umgeben oder bekommt sofort Lungenkrebs, wenn ihr ein bisschen was abbekommt. Lasst sie doch einfach machen.
Tjo, und nu bin ich ein Jahr rauchfrei und fühle mich großartig! Ich habe mich entschieden, einen Thread aufzumachen, weil ich hoffe, jemanden, der gerade auch einen Entzug durchmacht oder sich dazu entscheiden will mit meiner Erfahrung etwas Mut zu machen (und weil eh kaum einer in den Blogs liest ). Seht das Aufhören locker. Es ist kein böser Dämon, der euch mit einem Kaktus vergewaltigt. Euer Körper und euer Gehirn zicken ein bisschen rum. Na und? Seht zu, dass ihr irgendwas zur Ablenkung findet und führt euch immer wieder vor Augen, wie geil ein Leben ohne Tabak
Das war auch so geil: Als sich meine Atmung besserte und ich dann die Treppen stieg, hab ich mich voll gewundert, warum ich nicht aus der Puste bin. Hat sich echt ungewohnt angefühlt.
Dann will ich euch nicht noch mehr Text zumuten und bedanke mich hiermit für's Lesen.
Ach, eins noch. Ich sollte mich ja bei dir melden, wenn ich ein Jahr geschafft hab, weil du damals bezweifelt hast, dass ich es packe.
Hallo, Desi!