A
angrimm
Gast
hab ich eben im inet gefunden...
das wollte ich euch nicht vorenthalten:
Der liebe Gott sieht alles.
Das ist eines der ersten Prinzipien gewesen, dass ich überhaupt über Gott gelernt habe. Im Grunde liegt darin weniger etwas Beruhigendes, als das es wohl ursprünglich gedacht war, als vielmehr die Grundlage für ausgeprägte Paranoia, denn es kann einem schon sehr früh sehr peinlich sein, dass der liebe Gott zusieht, wenn ich auf dem Klo sitze, mir in der Nase bohre oder Süssigkeiten aus dem Wohnzimmerschrank mopse.
Um so seltsamer dann die Idee, dass ich ihm das beim Beichten alles noch mal erzählen soll.
Und was mich belastete, sobald wir in der Schule drüber gesprochen haben: ist es nicht völlig sinnfrei, dass Abraham von Gott den Auftrag bekommt, seinen einzigen Sohn Isaak zu opfern? Wo Gott doch alles weiss und alles kann, kann er doch auch einfach in Abrahams Herz sehen und so feststellen, ob er folgsam ist oder nicht, richtig?! Und ist es dann nicht grausam, wenn er trotzdem verlangt, dass der arme Bengel auf einen Altar geschnürt und abgestochen wird, auch wenn er insgeheim schon kichert über seinen gelungenen Test und kurz vor der Ausführung laut „April, April!“ ruft?
Ja, erraten: ich habe mich mit diesen Fragen damals als kleiner Dötz im Religionsunterricht schwer beliebt gemacht. Aber statt überzeugender Antworten auf diese ernsthaft gestellten Fragen habe ich nur ausweichende Erklärungen bekommen: „Gott lässt den Menschen eben den freien Willen!“ – „Gott will nicht befehlen, er will, dass man ihm freiwillig folgt!“ – „Auch wenn er natürlich alles weiss, ist es doch wichtig, ihm den eigenen Glauben auch willentlich zu zeigen, sonst wäre ja auch jede Messe überflüssig!“ Toll. Was soll man im Grundschulalter mit so was anfangen? Das macht für mich ja sogar heute keinen Sinn!
Gott ist Güte.
Ein weiterer lehrreicher Satz, der universell eingesetzt wurde von den Religionslehrern. Wenn Gott Güte ist, warum lässt er so viele Verbrechen in seinem Namen zu? Warum hatte ich als Kind schon bei der kleinsten „Notlüge“ panische Angst, dass ich jetzt in die Hölle komme? Und warum diese Nummer mit dem „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, wenn er es sich kurz darauf komplett anders überlegt und allen die Sache mit dem andere-Wange-Hinhalten verkaufen will? Hat Gott etwa auch keine genaue Vorstellung davon, wie sich ein „guter Mensch“ verhalten soll? Oder weiss ein allwissender Gott etwa nicht, was er selbst eigentlich von uns will???
An diesen oben genannten zwei kleinen Sätzen habe ich im Alter so um die 10 Jahre sehr herumgekaut. Und letztlich ist mir damals schon die Sache mit dem Glauben an Gott abhanden gekommen. Okay, ich hab verdammt viel in der Bibel gelesen damals, aber das lag eher an den durchaus spannenden Stories, die heute alle als christliche Antwort auf „Xena, die Kriegerprinzessin“ möglichst peinlich verfilmt wurden. Aber wenn ich ehrlich bin, war glaubenstechnisch schon zu den Zeiten der Ofen aus.
Vielleicht liegt es auch daran, dass man als Kind so viele religiöse Märchen erzählt bekommt, die sich schließlich als unwahr herausstellen. Na gut: Ich habe nicht wirklich lange an den Osterhasen geglaubt, und es war auch nicht so einschneidend, wenn mein Opa in der Fastenzeit erzählte, dass er mit der Pfanne ums Haus gelaufen sei und den Osterhasen gefangen hätte, so dass Ostern ausfallen müsse. Nun, dieses gestörte eierversteckende Bunny ist sicherlich nicht als eine Größe des Christentums zu bezeichnen, sondern eher als weiteres Rudiment unserer vorchristlichen Fruchtbarkeitsriten anzusehen. Trotzdem hat die Karnickelgeschichte auf mich, wie auf alle anderen Kinder auch, immer eine wesentlich größere Faszination ausgeübt als die Geschichte von Jesus, der zu Tode gequält werden musste, damit ich in den Himmel darf. Wenn ich nicht zu viel Scheisse baue. Und das hat er schon 2000 Jahre vor meiner Geburt auf sich genommen. Damit ich in Ruhe Schokolade klauen kann, wenn meine Eltern weg sind. Und heimlich „Dracula“ lesen kann, egal, ob ich anschließend noch einschlafen kann oder nicht.
Irgendwann haben wir mal beim Abendessen die Nachrichten geguckt und ich habe mich gefragt, warum ausgerechnet vor 2000 Jahren die Zeit gekommen sein sollte, wo dieses Opfer bitter nötig gewesen ist. Heute frag ich mich das übrigens immernoch: es sind jetzt ja wohl viel mehr Menschen auf der Welt als noch vor 2000 Jahren, und entsprechend mehr laden täglich furchtbare Sünden auf sich. Die heutige Welt mit ihren ABC-Waffen, Drogenkartellen und Kinderpornoringen ist (teilweise im Namen des Herrn) auf menschlichen Knochen und Blut erbaut und sicherlich keinen Deut „zivilisierter“, sondern eher noch furchtbarer als die damalige. Und Gottes auserwähltes Volk, die Juden, haben durch diesen clever gewählten Zeitpunkt den europäischen Antisemitismus in seiner ganzen Bandbreite abbekommen, bis zur Massenvernichtung im Dritten Reich. Ein ziemlich lausig durchdachter Plan, den der Allmächtige da gefasst haben soll, wenn Ihr mich fragt…
Aber ich war eigentlich bei den christlichen Märchenfiguren. Richtig pervers ist da die Sache mit dem Nikolaus und seinem Knecht Ruprecht (Letzterer übrigens meines Wissens auch heidnischen Ursprungs, aber wir wollen nicht kleinlich werden). Ich kann mich kaum erinnern, jemals zuvor solchen Terror gespürt zu haben wie bei dem Nikolausbesuch damals, wo der Ruprecht mit der Rute das erste Mal dabei war: Horrorfilme haben eine Altersbeschränkung, Nikolausfeiern nicht. Das ist ein Missstand, den ich bis heute nicht verstehen kann, denn zu einem eigentlich schönen Anlass [Steffie(k)lein bekommt Süssigkeiten!] erlebst Du das erste Mal im Leben, wie es sich anfühlt, wenn man sich vor Angst fast in die Hose macht. Und wenn Du dann vor lauter Schiss schon blärrend an die Gelegenheiten denkst, wo Du behauptet hast, dass Du Deine Zähne längst geputzt hast, weil Du keinen Bock auf die Kinder-Blendi mit dem komischen Kaugummigeschmack hattest, oder wo Du behauptet hast, Du könntest nicht schlafen, weil Dein kleiner Bruder dauernd das Licht anknipsen würde (was ich damals aus purer Langeweile selber war!) und hoffst, dass das bloß nicht in Nikolaus’ goldenem Buch steht, beugt sich irgendwann ein mitfühlender Erwachsener zu Dir und sagt so was wie „Keine Angst, der ist doch nicht echt! Das ist doch Onkel (Füge hier einen Namen des entfernten Bekannten/Verwandten Deiner Wahl ein)“. Und in dem Moment ist die Angst weg und weicht diesem entrüstetem Gefühl von „Ihr habt mich alle verarscht…“. An diesem Abend habe ich noch sehnlichst gehofft, dass wenigstens der Nikolaus echt ist, damit der fürs nächste Jahr in sein Buch schreiben kann, dass alle Erwachsenen uns Knirpse auf Teufel komm raus angelogen haben bei der Feier.
Nun war ich schon als Kind nicht komplett unterbelichtet. Bis ich die Sache mit dem Christkind geschnallt hatte, hat es daher auch nicht mehr lange gedauert. Was für eine Enttäuschung! Mein dickes Weihnachtsbuch mit den vielen kleinen Geschichten von den Engelchen, die Kekse backen mit dem Christkind, und die Spielsachen und Geschenke vorbereiten… Ich habe fest daran geglaubt, und plötzlich stellte sich heraus, dass sogar mein Opa jedes Mal bewusst gelogen hatte, wenn er auf den roten Abendhimmel gezeigt hatte und gesagt hatte: „Guck, die Englein backen wieder Plätzchen!“
Alles gelogen. Alles Theater, dass man uns kleinem Gemüse vorgespielt hatte, und sicherlich mit besten Absichten. Für mich hat sich aber damals schon die Frage gestellt, was denn überhaupt noch ernstzunehmen ist an dieser ganzen Sache mit Jesus und Gott und der Bibel, wenn die Dinge, die mal richtig klasse waren an dem Konzept (alles, wo man was umsonst bekam!), offiziell gar nicht dazugehören.
Als ich später zur Erstkommunion gehen sollte, habe ich mich mordsmässig angestrengt, um möglichst überzeugt dabei zu sein, damit keiner sieht, wie große Probleme ich damit hatte. Da stehst Du kleiner Knirps mit allen um den Altar versammelt, singst dieses Lied vom Taufbund und das Du ach so fest an Gott glaubst, und bist fest davon überzeugt, dass Du die Einzige bist, die eben an den ganzen Kram nicht mehr glauben KANN, weil zu viel sich schon längst als falsch, unlogisch oder einfach unfair erwiesen hat. Und in Deinem perversen kleinen Hirn macht sich die Frage breit, ob Du nicht endgültig in die Hölle musst, wenn Du das alles für Quatsch hältst, Gott wider Erwarten aber doch echt ist und sieht, wie Du ohne jede sakrale Gefühlsregung diese widerlich pappige Hostie hinunterwürgst. Der ungläubige Thomas hat ja damals schon von Jesus eine auf den Sack bekommen für seine Zweifel, und der war quasi VIP-Christ! Was macht Gott dann erst mit mir, die ich nicht zum Club gehöre???
Ich bin anschließend sogar meiner Oma zuliebe noch Messdienerin geworden, obwohl ich mich dabei permanent gefragt habe, ob der Chef da ganz oben vielleicht doch rumsitzt und sich beleidigt fühlt von mir.
Mit 14 kam die Firmung, man wurde wieder um der guten alten Traditionen willen hingeschleift zu einem Unterricht, der aus keinem meiner Mitleidenden einen besseren Christen gemacht hat, dafür aber einen meiner Mitschüler zum Dieb, weil der den metallenen Minirosenkranz, den ich in der Vorbereitung geschenkt bekommen habe, als Schlagring haben wollte und ihn mir deshalb beim Sportunterricht aus dem Portemonnaie geklaut hat. Ich hab das als Wink des Schicksals gesehen damals: wenn es einen Gott gäbe, würde der so was ja wohl scheisse finden und was dagegen unternehmen, oder?!
Und wo ich grad dabei war: wie konnte es sein, dass zu meiner Zeit Massenmord und jede andere Art von Sünde ungesühnt blieben, obwohl Loths Frau damals schon allein deshalb zur Salzsäule erstarrt war, weil sie sich umgedreht hat, um bei der Ausführung der Todesstrafe zuzusehen? (Eine Schwäche, für die heutzutage halb Texas mineralisiert werden müsste, aber das nur am Rande…).
Es folgten immer wieder reichlich angewiderte Gedanken über Themen wie Karls Schlachtfest an den Sachsen, die Kreuzzüge, die Inquisition, den Hexenwahn, die Zwangsmissionierungen der Kolonialzeit, das Abwarten und Teetrinken in der NS-Zeit, blablabla (Ich denke, hierüber haben schon genug andere geschrieben, und irgendwo wollte ich ja bei meinen persönlichen Gründen bleiben).
Das Ende vom Lied war schließlich die Erkenntnis, dass es unsinnig ist, sich weiter ein schlechtes Gewissen machen zu lassen wegen dieser Gott-Sache, weil es Gott entweder nicht gibt, was das Ganze dann überflüssig macht und was in meinen Augen wahrscheinlicher ist. Oder es gibt ihn, und er ist bloß ein Arsch, der sich köstlich amüsiert, während wir hier lügen und betrügen, reihenweise vor Hunger verrecken, vergewaltigen, foltern, morden, also schlichtweg mehr und mehr vor die Hunde gehen. Womöglich findet er es noch höchst amüsant, dass wir behaupten, er sei ein Gott der Liebe und der Versöhnung, während wir in seinem Namen töten. Dann ist ihm eh egal, ob wir an ihn glauben oder nicht. Und dann wäre er die ganze Mühe mit d
das wollte ich euch nicht vorenthalten:
Der liebe Gott sieht alles.
Das ist eines der ersten Prinzipien gewesen, dass ich überhaupt über Gott gelernt habe. Im Grunde liegt darin weniger etwas Beruhigendes, als das es wohl ursprünglich gedacht war, als vielmehr die Grundlage für ausgeprägte Paranoia, denn es kann einem schon sehr früh sehr peinlich sein, dass der liebe Gott zusieht, wenn ich auf dem Klo sitze, mir in der Nase bohre oder Süssigkeiten aus dem Wohnzimmerschrank mopse.
Um so seltsamer dann die Idee, dass ich ihm das beim Beichten alles noch mal erzählen soll.
Und was mich belastete, sobald wir in der Schule drüber gesprochen haben: ist es nicht völlig sinnfrei, dass Abraham von Gott den Auftrag bekommt, seinen einzigen Sohn Isaak zu opfern? Wo Gott doch alles weiss und alles kann, kann er doch auch einfach in Abrahams Herz sehen und so feststellen, ob er folgsam ist oder nicht, richtig?! Und ist es dann nicht grausam, wenn er trotzdem verlangt, dass der arme Bengel auf einen Altar geschnürt und abgestochen wird, auch wenn er insgeheim schon kichert über seinen gelungenen Test und kurz vor der Ausführung laut „April, April!“ ruft?
Ja, erraten: ich habe mich mit diesen Fragen damals als kleiner Dötz im Religionsunterricht schwer beliebt gemacht. Aber statt überzeugender Antworten auf diese ernsthaft gestellten Fragen habe ich nur ausweichende Erklärungen bekommen: „Gott lässt den Menschen eben den freien Willen!“ – „Gott will nicht befehlen, er will, dass man ihm freiwillig folgt!“ – „Auch wenn er natürlich alles weiss, ist es doch wichtig, ihm den eigenen Glauben auch willentlich zu zeigen, sonst wäre ja auch jede Messe überflüssig!“ Toll. Was soll man im Grundschulalter mit so was anfangen? Das macht für mich ja sogar heute keinen Sinn!
Gott ist Güte.
Ein weiterer lehrreicher Satz, der universell eingesetzt wurde von den Religionslehrern. Wenn Gott Güte ist, warum lässt er so viele Verbrechen in seinem Namen zu? Warum hatte ich als Kind schon bei der kleinsten „Notlüge“ panische Angst, dass ich jetzt in die Hölle komme? Und warum diese Nummer mit dem „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, wenn er es sich kurz darauf komplett anders überlegt und allen die Sache mit dem andere-Wange-Hinhalten verkaufen will? Hat Gott etwa auch keine genaue Vorstellung davon, wie sich ein „guter Mensch“ verhalten soll? Oder weiss ein allwissender Gott etwa nicht, was er selbst eigentlich von uns will???
An diesen oben genannten zwei kleinen Sätzen habe ich im Alter so um die 10 Jahre sehr herumgekaut. Und letztlich ist mir damals schon die Sache mit dem Glauben an Gott abhanden gekommen. Okay, ich hab verdammt viel in der Bibel gelesen damals, aber das lag eher an den durchaus spannenden Stories, die heute alle als christliche Antwort auf „Xena, die Kriegerprinzessin“ möglichst peinlich verfilmt wurden. Aber wenn ich ehrlich bin, war glaubenstechnisch schon zu den Zeiten der Ofen aus.
Vielleicht liegt es auch daran, dass man als Kind so viele religiöse Märchen erzählt bekommt, die sich schließlich als unwahr herausstellen. Na gut: Ich habe nicht wirklich lange an den Osterhasen geglaubt, und es war auch nicht so einschneidend, wenn mein Opa in der Fastenzeit erzählte, dass er mit der Pfanne ums Haus gelaufen sei und den Osterhasen gefangen hätte, so dass Ostern ausfallen müsse. Nun, dieses gestörte eierversteckende Bunny ist sicherlich nicht als eine Größe des Christentums zu bezeichnen, sondern eher als weiteres Rudiment unserer vorchristlichen Fruchtbarkeitsriten anzusehen. Trotzdem hat die Karnickelgeschichte auf mich, wie auf alle anderen Kinder auch, immer eine wesentlich größere Faszination ausgeübt als die Geschichte von Jesus, der zu Tode gequält werden musste, damit ich in den Himmel darf. Wenn ich nicht zu viel Scheisse baue. Und das hat er schon 2000 Jahre vor meiner Geburt auf sich genommen. Damit ich in Ruhe Schokolade klauen kann, wenn meine Eltern weg sind. Und heimlich „Dracula“ lesen kann, egal, ob ich anschließend noch einschlafen kann oder nicht.
Irgendwann haben wir mal beim Abendessen die Nachrichten geguckt und ich habe mich gefragt, warum ausgerechnet vor 2000 Jahren die Zeit gekommen sein sollte, wo dieses Opfer bitter nötig gewesen ist. Heute frag ich mich das übrigens immernoch: es sind jetzt ja wohl viel mehr Menschen auf der Welt als noch vor 2000 Jahren, und entsprechend mehr laden täglich furchtbare Sünden auf sich. Die heutige Welt mit ihren ABC-Waffen, Drogenkartellen und Kinderpornoringen ist (teilweise im Namen des Herrn) auf menschlichen Knochen und Blut erbaut und sicherlich keinen Deut „zivilisierter“, sondern eher noch furchtbarer als die damalige. Und Gottes auserwähltes Volk, die Juden, haben durch diesen clever gewählten Zeitpunkt den europäischen Antisemitismus in seiner ganzen Bandbreite abbekommen, bis zur Massenvernichtung im Dritten Reich. Ein ziemlich lausig durchdachter Plan, den der Allmächtige da gefasst haben soll, wenn Ihr mich fragt…
Aber ich war eigentlich bei den christlichen Märchenfiguren. Richtig pervers ist da die Sache mit dem Nikolaus und seinem Knecht Ruprecht (Letzterer übrigens meines Wissens auch heidnischen Ursprungs, aber wir wollen nicht kleinlich werden). Ich kann mich kaum erinnern, jemals zuvor solchen Terror gespürt zu haben wie bei dem Nikolausbesuch damals, wo der Ruprecht mit der Rute das erste Mal dabei war: Horrorfilme haben eine Altersbeschränkung, Nikolausfeiern nicht. Das ist ein Missstand, den ich bis heute nicht verstehen kann, denn zu einem eigentlich schönen Anlass [Steffie(k)lein bekommt Süssigkeiten!] erlebst Du das erste Mal im Leben, wie es sich anfühlt, wenn man sich vor Angst fast in die Hose macht. Und wenn Du dann vor lauter Schiss schon blärrend an die Gelegenheiten denkst, wo Du behauptet hast, dass Du Deine Zähne längst geputzt hast, weil Du keinen Bock auf die Kinder-Blendi mit dem komischen Kaugummigeschmack hattest, oder wo Du behauptet hast, Du könntest nicht schlafen, weil Dein kleiner Bruder dauernd das Licht anknipsen würde (was ich damals aus purer Langeweile selber war!) und hoffst, dass das bloß nicht in Nikolaus’ goldenem Buch steht, beugt sich irgendwann ein mitfühlender Erwachsener zu Dir und sagt so was wie „Keine Angst, der ist doch nicht echt! Das ist doch Onkel (Füge hier einen Namen des entfernten Bekannten/Verwandten Deiner Wahl ein)“. Und in dem Moment ist die Angst weg und weicht diesem entrüstetem Gefühl von „Ihr habt mich alle verarscht…“. An diesem Abend habe ich noch sehnlichst gehofft, dass wenigstens der Nikolaus echt ist, damit der fürs nächste Jahr in sein Buch schreiben kann, dass alle Erwachsenen uns Knirpse auf Teufel komm raus angelogen haben bei der Feier.
Nun war ich schon als Kind nicht komplett unterbelichtet. Bis ich die Sache mit dem Christkind geschnallt hatte, hat es daher auch nicht mehr lange gedauert. Was für eine Enttäuschung! Mein dickes Weihnachtsbuch mit den vielen kleinen Geschichten von den Engelchen, die Kekse backen mit dem Christkind, und die Spielsachen und Geschenke vorbereiten… Ich habe fest daran geglaubt, und plötzlich stellte sich heraus, dass sogar mein Opa jedes Mal bewusst gelogen hatte, wenn er auf den roten Abendhimmel gezeigt hatte und gesagt hatte: „Guck, die Englein backen wieder Plätzchen!“
Alles gelogen. Alles Theater, dass man uns kleinem Gemüse vorgespielt hatte, und sicherlich mit besten Absichten. Für mich hat sich aber damals schon die Frage gestellt, was denn überhaupt noch ernstzunehmen ist an dieser ganzen Sache mit Jesus und Gott und der Bibel, wenn die Dinge, die mal richtig klasse waren an dem Konzept (alles, wo man was umsonst bekam!), offiziell gar nicht dazugehören.
Als ich später zur Erstkommunion gehen sollte, habe ich mich mordsmässig angestrengt, um möglichst überzeugt dabei zu sein, damit keiner sieht, wie große Probleme ich damit hatte. Da stehst Du kleiner Knirps mit allen um den Altar versammelt, singst dieses Lied vom Taufbund und das Du ach so fest an Gott glaubst, und bist fest davon überzeugt, dass Du die Einzige bist, die eben an den ganzen Kram nicht mehr glauben KANN, weil zu viel sich schon längst als falsch, unlogisch oder einfach unfair erwiesen hat. Und in Deinem perversen kleinen Hirn macht sich die Frage breit, ob Du nicht endgültig in die Hölle musst, wenn Du das alles für Quatsch hältst, Gott wider Erwarten aber doch echt ist und sieht, wie Du ohne jede sakrale Gefühlsregung diese widerlich pappige Hostie hinunterwürgst. Der ungläubige Thomas hat ja damals schon von Jesus eine auf den Sack bekommen für seine Zweifel, und der war quasi VIP-Christ! Was macht Gott dann erst mit mir, die ich nicht zum Club gehöre???
Ich bin anschließend sogar meiner Oma zuliebe noch Messdienerin geworden, obwohl ich mich dabei permanent gefragt habe, ob der Chef da ganz oben vielleicht doch rumsitzt und sich beleidigt fühlt von mir.
Mit 14 kam die Firmung, man wurde wieder um der guten alten Traditionen willen hingeschleift zu einem Unterricht, der aus keinem meiner Mitleidenden einen besseren Christen gemacht hat, dafür aber einen meiner Mitschüler zum Dieb, weil der den metallenen Minirosenkranz, den ich in der Vorbereitung geschenkt bekommen habe, als Schlagring haben wollte und ihn mir deshalb beim Sportunterricht aus dem Portemonnaie geklaut hat. Ich hab das als Wink des Schicksals gesehen damals: wenn es einen Gott gäbe, würde der so was ja wohl scheisse finden und was dagegen unternehmen, oder?!
Und wo ich grad dabei war: wie konnte es sein, dass zu meiner Zeit Massenmord und jede andere Art von Sünde ungesühnt blieben, obwohl Loths Frau damals schon allein deshalb zur Salzsäule erstarrt war, weil sie sich umgedreht hat, um bei der Ausführung der Todesstrafe zuzusehen? (Eine Schwäche, für die heutzutage halb Texas mineralisiert werden müsste, aber das nur am Rande…).
Es folgten immer wieder reichlich angewiderte Gedanken über Themen wie Karls Schlachtfest an den Sachsen, die Kreuzzüge, die Inquisition, den Hexenwahn, die Zwangsmissionierungen der Kolonialzeit, das Abwarten und Teetrinken in der NS-Zeit, blablabla (Ich denke, hierüber haben schon genug andere geschrieben, und irgendwo wollte ich ja bei meinen persönlichen Gründen bleiben).
Das Ende vom Lied war schließlich die Erkenntnis, dass es unsinnig ist, sich weiter ein schlechtes Gewissen machen zu lassen wegen dieser Gott-Sache, weil es Gott entweder nicht gibt, was das Ganze dann überflüssig macht und was in meinen Augen wahrscheinlicher ist. Oder es gibt ihn, und er ist bloß ein Arsch, der sich köstlich amüsiert, während wir hier lügen und betrügen, reihenweise vor Hunger verrecken, vergewaltigen, foltern, morden, also schlichtweg mehr und mehr vor die Hunde gehen. Womöglich findet er es noch höchst amüsant, dass wir behaupten, er sei ein Gott der Liebe und der Versöhnung, während wir in seinem Namen töten. Dann ist ihm eh egal, ob wir an ihn glauben oder nicht. Und dann wäre er die ganze Mühe mit d