Sind Videospiele Kultur?
Mehr als nur ein umstrittenes Thema. Von Sandra Friedrichs
Der Bundesverband der Entwickler von Computerspielen (G.A.M.E.) wurde offiziell in den Deutschen Kulturrat aufgenommen und somit sind Videospiele ein deutsches Kulturgut, genauso wie Musik, Filme, Literatur, etc. Doch bei den deutschen Bürgern ist diese Neuigkeit nur mäßig verbreitet und stößt häufig auf Protest. Aus diesem Grund habe ich eine Umfrage mit 77 Leuten durchgeführt. Jede Altersklasse ist dabei vertreten, neben Spielern auch Videospielablehner. Stellt sich nun die Frage: Sind Videospiele wirklich Kultur?
Die Entwicklung von den 90ern bis heute
Früher wurden Videospiele als „Kinderkram“ abgestempelt und nicht ernst genommen. Spiele wie Tetris oder Super Mario kannte zwar jeder, doch waren sie zu bunt, zu einfach oder zu unrealistisch, um als Kulturgut zu gelten. Doch das war fast zwanzig Jahren. Die Technik heutzutage ist ausgereifter, die Nintendo Wii ist hierfür ein sehr gutes Beispiel: Mit einer Art „Fernbedienung“, die über eingebaute Bewegungssensoren verfügt, lassen sich Bewegungen des Spielers auf den Bildschirm projizieren. Das dies viele Menschen anspricht, kann man an den hohen Verkaufszahlen erkennen: Am 30.07.2008 wurden weltweit über 30,01 Millionen Konsolen verkauft. Es lässt sich ein allgemeiner Trend erkennen, dass sich die Spieler lieber vor die Konsole setzen als den PC anzuschalten. Nicht nur der Markt bestätigt dieses (289 Millionen Euro Umsatz im ersten Halbjahr 200
, sondern auch meine durchgeführte Umfrage, wo 67.9 % der Befragten Spieler angeben, bevorzugt auf Konsolen zu spielen. So ist die Zeit der dominierenden „PC-Zocker“ vorbei, dessen Spiele im ersten Halbjahr „nur“ einen 185 Millionen Gewinn machten. Doch ältere Menschen kritisieren daran oft die komplizierte Technik: „Wie soll ich mir merken, wann ich Knöpfe drücken muss oder wie ich eine Fernbedienung „rumzuwedeln“ habe? Das ist nur was für meine Enkel.“, sagt ein 60 jähriger Gifhorner. Keine der befragten Personen über sechzig spielt Videospiele in ihrer Freizeit oder haben es noch nie ausprobiert. „Wir sind zu alt.“ Ist die häufigste Erklärung. Die Spielgeneration, die laut Statistik bei 14-29 Jahren liegt, hat sie wenig beeindruckt. „Ich vertraue lieber meinem Instinkt und den Medien, als irgendwelchen Leuten, die wie gebannt andere Menschen töten!“, erklärt eine 65 jährige. Zu dem ‚schwarzen Schaf‘ der Videospielgenre, dem Egoshooter, welches sie hier kritisiert, später noch mehr.
Ein weiterer Grund der raschen Ausbreitung von Videospielen ist die verbesserte Grafik. Vorbei ist die Zeit, an der große, unförmige Pixel Menschen darstellen sollen. Nun sehen die animierten Spielfiguren realer aus als jemals zuvor. Die Gamedesigner legen großen Wert auf die Menschlichkeit ihrer Kreationen, jeder Gesichtszug ist gut durchdacht, die Kleidung passend gewählt und die Bewegungen im Einklang mit der jeweiligen Situation. Doch das zieht auch für manch kritische Menschen Nachteile mit sich.
Das „schwarze Schaf“ aus der Branche: Egoshooter
Dieses Thema ist seit dem Amoklauf auf dem Erfurter Gutenberg-Gymnasium im Jahr 2002 das umstrittenste Thema der Nation, da der Täter, der 16 Menschen umbrachte leidenschaftlicher Killerspieler war. Kritiker werfen dem Genre vor, brutal und kaltherzig zu sein. „Die Spieler selbst werden zu gewalttätigen Menschen, da kann mir einer noch so viel erzählen!“, sagt eine 42 jährige Mutter. „Meine Kinder werden dieses niemals zu Gesicht bekommen! Kann ich sie doch gleich auf eine Terroristenschule schicken!“ Viele Menschen, die keine oder wenige Videospiele in ihrer Freizeit spielen, haben eine negative Einstellung gegenüber dem Genre, in meiner Umfrage waren es 79.2 %. Kein Wunder, dass die Politiker und die Medien dieses Stimmungsbild ausnutzten. Es gibt Reportagen über (Jugend-) Kriminalität, wo die gewalttätigen Personen in ihrer Freizeit Spiele wie Counter Strike spielen. Indirekt werden solche Spiele in den Medien so als Grund der steigenden Skrupellosigkeit und Brutalität angegeben. Dies glauben viele, wie die 60 jährige Frau im vorangegangen Textes beweist. Politiker wollen es sogar so weit bringen, dieses Genre ganz zu verbieten. Dies ist ein sehr umstrittener Entwurf der CSU in den diesjährigen bayrischen Landtagswahlen, wogegen sich viele Spieler auflehnen. Diese nämlich haben zu 62.3 % ein neutrales und sogar 41.5 % ein positives Bild von Egoshooter. Der bayrische Innenminister Joachim Hermann setzte sich Anfang September für ein Herstellungsverbot für gewalthaltige Spiele ein. Falls dies von jemand missachtet werden sollte, muss ein Bußgeld bezahlt werden oder man erlangt sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Viele aus der Spielegemeinschaft lehnen dieses ab und unterstützen die Kampagne gegen „Spielekiller“, die von der Zeitschrift PC – Games ins Leben gerufen wurde. Sie werfen den Politikern fehlende Sachkompetenz und mangelnde Auseinandersetzung mit dem neuen Medium vor, das schon 28 % der Bevölkerung beträfe. Obwohl in Deutschland schon das strengste Jugendschutzrecht Europas gilt, wo viele Spieletitel nicht veröffentlicht oder ‚verharmlost‘ werden, sollen Egoshooter zu Gewalt anregen, was bisher keine Studie bewiesen hat?
Die treffendste Antwort zu dieser Frage wurde von einem weiblichen Benutzer eines Internetforums dazu geliefert: „Soll man Egoshooter […] verbieten, damit nicht mehr so viel Gewalt unter den Jugendlichen herrscht? Ich denke, dass liegt eher an der miserablen Erziehung der Eltern. Dann sollte man aber auch Die Sims verbieten. Schließlich kann ich sie dort quälen und töten.“
Versuche, Videospiele ernsthafter zu gestalten
Es ist geplant, dass es einen hochdotierten Computerspielpreis der Bundesregierung geben soll, wodurch „gewaltfreie und anspruchsvolle Computerspiele“ populärer gemacht werden. Es versuchen ohnehin immer mehr Spielproduzenten ernsthafte Themen über Videospielen zu vermitteln. 59.7 % der Befragten sind durchaus der Meinung, dass dies geschafft werden kann, nur 24.7 % stehen dem eher kritisch gegenüber. Ein neuer Markt ist geschaffen worden, bei dem die Spiele „Serious Games“ genannt werden. Beispiel für ein solches Spiel ist das im Mitte Oktober im Handel erhältliche „Global Conflicts: Palestine“, in dem man als Journalist herausfinden soll, wieso der Konflikt in Israel- und Palästinensergebieten zu Stande gekommen ist und auch welche Interessen eine große Rolle spielen. Es geht also um gute Recherche und nicht um „abgeballere“. Auch die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) entwickelte ein Spiel, in dem man als Politikerfigur agiert und als amtierender Bundeskanzler Wahlversprechen angemessen auswählt. Laut Arne Buss, Zuständiger für politische Bildungsspiele der BPB, soll damit ein grundsätzliches Verständnis für Demokratie geschaffen werden. Bei diesen Spielen sollen Menschen angeregt werden, sich auszutauschen und ihre Meinung über das Thema via Internetforen oder im Schulunterricht preiszugeben. Es heißt also nicht: „Daddeln statt demonstrieren“.