Geschichtlicher Überblick
Die Dampflokomotive war die ursprüngliche und lange Zeit vorherrschende Lokomotivbauart. Sie war das erste Zugmittel, das größere Leistung mit kompakter Bauform vereinen konnte und so die erfolgreiche Verbreitung des Eisenbahn-Systems bewirkte.
Vorläufer-Entwicklungen
Die Entwicklung der Dampflokomotive stützte sich auf mehrere Vorläufer-Entwicklungen. Die erste Stufe war die von Thomas Newcomen erfundene Dampfmaschine, bei der ein Schwungrad den Zylinder nach jedem Arbeitshub in die Ausgangslage zurückbrachte. Der nächste Schritt erfolgte, als James Watt den Dampf wechselweise auf beide Seiten des Kolben wirken ließ. Bis dahin arbeiteten die Dampfmaschinen mit nur geringem Überdruck gegenüber dem atmosphärischen Umgebungsdruck. Als Richard Trevithick eine Dampfmaschine entwickelte, die mit einem drei- bis viermal höheren als dem atmosphärischen Druck arbeitete, wurde es möglich, eine leistungsfähige Arbeitsmaschine zu bauen, die hinreichend kompakt war, um auf ein Fahrzeug zu passen. Dies führten erstmals Nicholas Cugnot 1769 sowie 1801 und 1803 auch Richard Trevithick durch, die jeweils einen Straßen-Dampfwagen bauten. Damit wurde mit Hilfe der Dampfmaschine eine räumlich unbegrenzte Fahrbewegung möglich, und es war dann nur noch ein kurzer Schritt, die bereits in den Bergwerken bestehenden dampfbetriebenen Seilzuganlagen durch einen auf die Schienen gestellten Dampfwagen zu ersetzen.
Erste Dampflokomotiven auf Schienen
Trevithicks Lokomotive von 1804 (Modell)
Lokomotive „Rocket“ im Science Museum, London1804 baute dann Richard Trevithick die erste auf Schienen fahrende Dampflokomotive. Sie erwies sich als funktionsfähig, doch die für ihr Gewicht nicht ausgelegten gusseisernen Schienen zerbrachen unter dieser Lokomotive.
Um diese Zeit gab es in englischen Bergwerksanlagen in Cornwall und um das nordostenglische Kohlenrevier um Newcastle upon Tyne mehrfache Entwicklungsversuche zu Dampflokomotiven, u. a. von Timothy Hackworth ab 1808, John Blenkinsop 1812, William Hedley 1813, George Stephenson 1814 und anderen. Im Jahr 1825 wurde die von Edward Pease initiierte Eisenbahnstrecke zwischen Stockton und Darlington, England, mit einer Lokomotive von George Stephenson eröffnet und gleichzeitig der erste Passagier-Transport mit einem lokomotiv-gezogenen Zug durchgeführt.
Für die geplante Bahn zwischen Liverpool und Manchester wurde im Oktober 1829 das berühmte Rennen von Rainhill durchgeführt, bei dem die bestgeeignete Lokomotive ermittelt werden sollte. Von den fünf teilnehmenden „echten“ Lokomotiven gewann The Rocket von Robert Stephenson das Rennen, die auf der 50 km langen Strecke eine Höchstgeschwindigkeit von 48 km/h erreichte und - das war das Entscheidende - als einzige das Rennen ohne Ausfall überstand. Die gleichfalls im Wettbewerb befindliche „Sans Pareil“ von Timothy Hackworth hatte Zylinder, die in der Werkstatt von Robert Stephenson gegossen waren, und von denen einer kurz nach dem Start zum Rennen explodierte - ein damals eher „regulärer“ Ausfall. Am 15. September 1830 wurde die Bahn zwischen Liverpool und Manchester eröffnet, wobei sowohl die siegreiche „Rocket“ als auch die „Sans Pareil“ in den Betrieb übernommen wurden.
In den USA führte Oberst John Stevens 1826 eine dampfbetriebene Lokomobile auf einer ringförmigen Fahrspur in Hoboken, New Jersey, USA vor. 1830 baute Peter Cooper mit der Tom Thumb die erste Dampflokomotive in Amerika für eine öffentliche Eisenbahn, und mit der DeWitt Clinton nahm am 24. September 1831 die erste fahrplanmäßige US-Lokomotive zwischen Albany (New York) und Schenectady mit rund 50 km/h ihren Dienst auf. Nicht unerwähnt sollte auch die in England hergestellte und nach Amerika gelieferte John Bull (Lokomotive) bleiben. Auch sie wurde 1831 in Dienst gestellt, 1866 ausgemustert und zuletzt 1981, mittlerweile 150 Jahre alt, nochmals unter Dampf genommen. Sie ist eine der letzten original überlieferten Maschinen der Dampflokfrühzeit.
Die erste dampfbetriebene Bahnlinie auf dem europäischen Kontinent wurde am 5. Mai 1835 zwischen Brüssel und Mecheln in Belgien eröffnet.
In Deutschland fuhr als erste Dampflokomotive im Juni 1816 eine Maschine Blenkinsop'scher Bauart, die von Johann Friedrich Krigar in der Königlichen Eisengießerei zu Berlin gebaut wurde, auf einem Rundkurs im Hof der Fabrik. Es handelte sich um die erste auf dem europäischen Festland gebaute Lokomotive und um den ersten dampfgeführten Personenverkehr, da Schaulustige gegen Entgelt in angehängten Wagen mitfahren konnten. Am 7. Dezember 1835 fuhr erstmalig zwischen Nürnberg und Fürth auf der Bayerischen Ludwigsbahn die Lokomotive Der Adler. Sie war bereits die 118. Maschine aus der Lokomotivenfabrik Robert Stephensons und stand mit der Typbezeichnung „Patentee“ unter Patentschutz.
Die "Austria", die erste Lokomotive in Österreich.In Österreich fuhr 1837 die erste Dampfeisenbahn auf der Kaiser-Ferdinand-Nord-Bahn zwischen Wien-Floridsdorf und Deutsch-Wagram. Die dienstälteste Dampflokomotive der Welt fährt ebenfalls in Österreich. Die GKB 671 aus dem Jahre 1860 wurde nie außer Dienst gestellt und wird immer noch für Sonderfahrten verwendet.
1838 entstand die dritte in Deutschland gebaute Dampflokomotive Saxonia bei der Maschinenbaufirma Übigau bei Dresden, gebaut von Prof. Johann Andreas Schubert. 1848 war die erste von den Henschel-Werken in Kassel produzierte Lokomotive, der Drache, ausgeliefert worden.
Die erste Eisenbahnstrecke über Schweizer Landesgebiet war die 1844 eröffnete Strecke Straßburg - Basel. Drei Jahre später, 1847, wurde als erste Schweizer Eisenbahnstrecke die Spanisch Brötli Bahn von Zürich nach Baden eröffnet.