Blog Endstation Friedwald

OldShatterhand

Bekanntes Gesicht
Niemand möchte gern seine Mutter beerdigen, aber irgendwann kommt es halt so. Ziemlich genau einen Monat nach ihrem Tod fand am gestrigen Freitag die Urnenbeisetzung im Friedwald Bad Münstereifel statt. Was ein Friedwald ist, wusste ich bis dahin auch nicht. Im Grunde ein ganz normaler Wald, durch den auch Spaziergänger bummeln. Dort kann man sich dann relativ anonym unter einem Baum beisetzen lassen. Namensschilder sind möglich, aber nicht immer üblich. In unserem Fall hatte der Baum eine Nummer, mit deren Hilfe wir die Stelle wiederfinden können. Zumal im Sommer die Landschaft ja auch ganz anders aussieht als jetzt in diesem winterlichen Frühling. Ein simples Loch im Boden, umgeben von Tannenzweigen. Blumen und ähnlicher Grabschmuck sind unerwünscht bzw sogar verboten.

Schon der Gang dorthin war schwer. Wir waren etwa ein halbes Dutzend Leute, darunter auch zwei welche die 80 schon überschritten hatten. Gerade für meinen Opa musste es schwer sein. Nicht nur aufgrund der Kälte und des Weges, sondern auch der Umstände. Kein Vater sollte sein eigenes Kind zu Grabe tragen müssen. Das Tragen übernahm in diesem Fall der Förster, denn auch einen Pfarrer gibt es hier nicht. Schliesslich versammelte man sich im Halbkreis um Die Grabstelle. Neben meiner Freundin war auch mein Vater und mein Bruder + Freundin dabei.
Wir dachten alle, die wesentliche Trauer hätten wir schon hinter uns. Die Krebsdiagnose, und schliesslich der Tod selbst. Aber hier bricht es dann doch nochmal aus einem raus, wobei es bei einer richtigen Beerdigung wohl noch schlimmer gewesen wäre. Pfarrer wollen die Leute mit ihren Reden ja auch nur trösten, ich finde aber sie erreichen immer das Gegenteil.
Jedenfalls standen mein Bruder und ich dann an diesem Tannenzweigloch und haben geheult wie seit der Kindheit nicht mehr.

Aber das war ja nichtmal das schlimmste. Das schlimmste war die Begehung der Wohnung meiner Mutter, wo man halt nochmal alles nützliche oder wertvolle herausholt, bevor dann in den nächsten Tagen die Entrümpler anrücken, und quasi das ganze Leben eines Menschen auf den Müll werfe. Alles was er war, und was er je sein würde, ist dann verschwunden.
Deshalb sucht man sich halt ein paar Sachen, bei mir eher nach sentimentalem als nach materiellem Wert. Aber irgendwie war es die Hölle. Jeder Gegenstand erinnerte mich an irgendwas, teilweise waren da noch Sachen aus meiner Kindheit, ein paar alte Fausthandschuhe z.b., tief in einer Kommodenschublade versteckt. Überhaupt kam ich mir beim durchwühlen aller Schränke und Schubladen wie ein Einbrecher vor. Oder zumindest wie ein gieriger Trödelmarkthändler. Mehr als einmal hatte ich hier Tränen in den Augen, und nach ungefähr einer Stunde war ich auch froh, dort wieder weg zu können. Meine "Ausbeute", wenn man es denn so nennen kann, war bescheiden. Neben einer netten kleinen Sammlung goldener Uhren war aber ein Passfoto das allerwichtigste für mich. Meine Mutter hat sich nie gern fotografieren lassen, aber manchmal kommt man eben nicht drum herum. Das Foto kann allerhöchstens erst 2 oder 3 Jahre alt sein. Deshalb hat es für mich einen besonderen Wert, und vielleicht lasse ich es vergrößern und einrahmen. Ist aber noch nicht sicher.

Alles in allem war die Beerdigung doch emotionaler als ich dachte bzw. gehofft hatte. Aber mit der Hilfe anderer (besonders eine Freundin kann ein unschätzbarer, tröstender Arm sein) übersteht man es dann doch recht gut, und ich wünsche auf diesem Weg jedem/jeder ganz viel Kraft, denn es kommt auf uns alle zu. In diesem Sinne, gruss an alle hier.

LL
 
Das Gefühl kenne ich. In den letzten Jahren war ich auch auf mehr Beerdigungen als mir lieb ist. Mein Vater wurde auch anonym begraben, aber leider muss ich sagen, dass ich sein Grab bislang noch nicht (auf)gesucht habe, nachdem ich es schon gemieden habe, ihm beim Sterben zuzusehen, als die Geräte abgeschaltet wurden, was offensichtlich kein schöner Anblick war. Die Wohnung anschließend auszuräumen, war natürlich auch kein Spaß. Bis wir seine Pornos gefunden haben, das war schon irgendwie witzig. Aber nun gut. Irgendwann kommt das auf jeden zu. Bei manchen früher, bei manchen später. Und dann muss jeder für sich selbst entscheiden, wie er damit fertig wird. Es einfach auszublenden funktioniert bei mir sehr gut. Nicht die beste Art, aber es funktioniert.

Mein Beileid.
 
Einer solchen Beisetzung werde auch ich bald beiwohnen. Meine Oma liegt im Sterben und damals hat sie dafür gesorgt, dass sie eingeäschert und anonym begraben wird.

"Traditionelle" Beerdigungen habe ich bislang deren zwei mitmachen müssen. Die von meinem Onkel, als ich acht Jahre alt war und die meiner Nichte, die vor zehn Jahren dem Plötzlichen Kindstod erlag. Gerade letztere war unglaublich schwer. Zugleich finde ich Beerdigungen aber irgendwie auch "schön" (dummes Wort, ich weiß - aber anders kann ich es nicht beschreiben). Einmal noch den Verstorbenen ehren, all die Menschen aus seinem Leben nochmal sehen, die man sonst kaum sieht. Einfach ein letzter Abschied, bevor man versucht, weiter seines Lebens zu gehen.

Auch von mir mein herzliches Beileid.
 
@dsr: dank dir mein froind. es "auszublenden" find ich als Lösung schon ok, aber ich stell mir vor dass das sehr viel Kraft mehr kostet und vor allem Willensstärke. Deshalb zieh ich auch meinen Hut vor Leuten, die das so können.

@daumi: Ja es war schön einige wiederzusehen, aber es ist halt traurig, dass man sich wirklich nur noch zu Beerdigungen sieht. Als Kind war ich oft dort, hatte viele Besuche mit vielen schönen Erinnerungen. Gut, jeder lebt jetzt sein eigenes Leben, und man kann sagen dass wir auch in alle Himmelsrichtungen verstreut wohnen inzwischen. Im Falle meines Bruders sogar ein anderes Land. Da sind Treffen im Familienkreis natürlich auch schwer zu organisieren.
Danke auch dir!
 
Ich kann das alles auch gut nachvollziehen.

Bei meinem Vater sind bereits nächstes Jahr 20 Jahre um, nach einem Jahr Kampf gegen den Krebs mußte er die Segel streichen.
War schon hart auch, damals hatte ich aber noch meine Mutter, so war geteiltes Leid halbes Leid.

Vor 4 Jahren dann auch die Diagnose Krebs bei meiner Mutter - da ging im ersten Moment die Welt für mich unter.
Und da ich auch ihr eine Pflege bis zur letzten Minute schuldig war, habe ich das mit all meiner vorhandenen Kraft auch geschafft - ich muß jetzt zwar wegen dieser seelischen Belastung all meine Zähne entfernen lassen, aber ich fühle mich wohl, sagen zu können, daß ich für meine Eltern noch alles menschenmögliche in ihrem letzten Lebensabschnitt getan habe.

Bei uns werden nur Friedhofbestattungen genehmigt, ich wäre auch für so eine Bestattung, wie ihr sie bei eurer Mutter durchgeführt habt.
Und ich muß dir recht geben, die Bestattungen auf einem Friedhof verlangen einem viel Durchhaltevermögen ab, die Redner wühlen einen da ganz schön auf...

Und auch das Ausräumen der Wohnung geht wirklich an die Substanz - auch ich und mein Bruder haben da noch viele Sachen aus unserer Kindheit gefunden, die wir uns aufgehoben haben.
Und bei jedem persönlichen Stück meiner Mutter stand ich wirklich den Tränen nahe.

Aber jeder findet seinen Weg, damit klar zu kommen, es muß ja auch weiter gehen.

Auch der Tod gehört halt zum Leben dazu.

Finde es übrigens mal gut, so einen Blog vorzufinden - vielfach helfen einen schon paar Zeilen, um mal was von der Seele zu schreiben und hilft sicherlich auch anderen, die in ähnlichen Situationen sind, sei es nun die Eltern, Großeltern oder Arbeitskollegen oder sonstigen nahestehende Verwandte.

Ich und mein Bruder übernehmen gerne eine 20 - jährige Grabpflege, auch wenn es manchmal ganz schön stressig ist, gerade im Sommer die dauernde Gießerei.
Und, auch wenn es vielleicht keiner glaubt, selbst nach 19 Jahren - wenn ich am Grab meines Vaters stehe, kommen mir noch sehr viele Sachen in den Kopf, die ich in der Kindheit so hatte, aber vielfach nur gute Erinnerungen, so daß ich danach absolut keine Probleme habe.

Die Sterbetage "Heiliger Abend" und "Gründonnerstag" sind zwar auch jetzt noch etwas aufregend, aber ist nun mal so.

Ich wünsche dir und deinen Angehörigen, daß ihr jeder euren eigenen Weg findet, damit klar zu kommen und haltet eure Mutter zeitlebens in Ehren - wie heißt so schön ein Sprichwort: " Ja, die Mutter wars!"

An alle, die ihre Eltern und Großeltern usw. noch haben - seid froh darüber, auch wenn diese "oftmals" nerven.
 
auch von mi mein tiefstes Beileid! Die Vorstellung die Eltern zu verlieren ist grauenhaft. Ich wünsche dir von ganzem Herzen viel viel Kraft.
 
Mein Beileid Louis, sowas ist immer verdammt schrecklich. Ich musste das u.a. bei meiner Oma auch schon erleben. Es ist auch so im Leben irgendwie, man hat gar nicht so Angst, dass einem selbst was passiert, sondern viel mehr Angst, dass einem Menschen etwas passiert, den man liebt, der aus der eigenen Familie kommt.
Und gerade die Eltern ist am schlimmsten. Ich wünsch dir jedenfalls viel Kraft und alles Gute. Wie ich schon im Thread im Forum geschrieben hab, wenn du mal jemandem zum Reden brauchst, ich stehe dir immer gerne zur Verfügung.
 
Oh Mann... das ist ja mal ein Blog-Post. Habe gerade die vergangenen Wochen auf der Suche nach Material für die play³-Leserbriefe durchforstet. Einen derart persönlichen Post habe ich nicht erwartet. Keine Sorge, der kommt nicht ins Heft.

Aber dennoch möchte ich dir mein Beileid aussprechen. Dein Text - und auch die Diskussion hier - gingen mir wirklich nahe. Ich wünsche dir alles Gute und dass Du deinen Frieden mit dieser brutalen, neuen Realität machst.

Alles Gute,
Sebastian
 
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